Über die Herausforderungen der Philosophie

Kaum ein(e) Beruf(ung) auf diesem Planeten ist so inhomogen wie der des Philosophen. Die Ansprüche an die Philosophie sind so unterschiedlich wie das Leben selbst. Aber generell gilt: Ein Philosoph muss bereit sein, Grenzen zu überschreiten, mit Dogmen zu brechen, sich gegen eingefahrene, sogar (scheinbar?) konsistente, Meinungen behaupten und die Waage zwischen der Erschaffung eines wahrheitsbegründenden Beweissystems auf der einen und der Bereitschaft für das Einreißen von Denk- und Glaubensmustern auf der anderen Seite finden. Und das ist gewiss kein leichter Job. Eines verbindet zwar alle Philosophen, nämlich das Streben nach Weisheit. Doch was ist diese Weisheit überhaupt? Muss sie einen praktischen Nutzen haben? Oder ist sie doch eher etwas abgehobenes, nicht greifbares, etwas worauf man zurückgreift wenn man auf dem Sterbebett liegt? Hier beginnt das Spiel der Formen.

Zu Beginn kann man einen Blick auf die Wahrnehmung werfen (siehe auch: http://auroraphilosophia.de/vom-nehmen-der-wahrheit-oder-auch-wahrnehmen ). Aber hier scheiden sich die Geister bei der Frage nach der Gültigkeit der sinnlichen Wahrnehmung der Umwelt. Für den Einen reicht es, seine Hand ein einziges Mal in eine Kerzenflamme zu halten, um zu wissen, dass das Phänomen „Feuer“ qualitative Stoffveränderungen dessen hervorbringt, was er „Haut“ nennt. (Andere Sprechen hier auch von Verbrennungen.) Jedoch gibt es auch jene, die ihrer sinnlichen Wahrnehmung soweit misstrauen, dass sie erst nach ein paar Versuchen zugeben wollen, dass ein kausaler Zusammenhang von Feuer, Schmerz und Hautverfärbungen vorhanden ist. Andere werden niemals bereit sein, solche Zusammenhänge zu akzeptieren und sprechen lieber von „einem großen Täuscher“, der ihnen immer, wenn sie ihre Hand in dieses Leuchtphänomen „Kerze“ halten,  Schmerzen zufügt. Klingt abenteuerlich, nicht wahr? In der gelehrten Philosophie unterscheidet man hier von den „Empiristen“ und den „Rationalisten“, wobei diese Trennung meiner Meinung nach häufig genug ziemlich diffus ist, da beide Positionen bestimmte Phänomene gleichzeitig als Beweis für ihre Theorien betrachten, und die Positionen häufig nicht konsistent in ihrer Argumentation sind, was bedeutet, dass die Theorie sich selbst widerspricht. Empiristen erzeugen das, was sie Wissen nennen, im Experiment. Zum Beispiel in jenem, in dem man einen Finger in eine Kerze hält. Einige Rationalisten sind der Meinung, dass „Wissen“ eine Art Erinnern darstellt. Denn der Mensch hat keine Seele, er IST eine Seele, die vor ihrer Menschwerdung alles schon einmal erblickt hat und durch die Phänomene nur „getriggert“( jeder der hierfür Interesse hat wird auf Platons Anamnesislehre verwiesen). Für sie ist die empirische Perzeption des Geistes als eine Tabula Raza (eine leere Tafel) eine Beleidigung! Streit ist groß, die Postionen ungezählt und einige Argumentationen sind schlüssiger als andere.  Einige Philosophen geben die Schwächen in ihren Theorien frei zu, gestehen Mängel ein, und berichten lediglich darüber, dass sie dennoch diesen oder jenen Punkt für gültig halten. Aber andere ignorieren lieber bestimmte Fakten und neigen dazu emotional zu werden, wenn man sie auf solche Schwächen hinweist. Das Spannende an diesem Thema für mich jedoch ist, dass keine der beiden Postionen den letztendlichen, für immer gültigen Beweis erbringen konnte, dass die Welt so funktioniert wie beschrieben. Eigentlich weiß niemand so recht was vor sich geht, wenn er bei der Begründung seiner Theorie ALLE der drei goldenen Regeln des Begründens konsequent berücksichtigt:

1.Keine Verwendung eines Zirkelschlusses; Man darf nicht das zu Begründende mit seinem Grund begründen. Oder auch: Die Wahrheit, die in einem Schluss bewiesen werden soll, wird bereits in den Prämissen als „wahr“ vorausgesetzt . (Ein Beispiel: Frage: Warum lügt ein Philosoph nicht? Antwort:  Dem Philosophen ist die Wahrheit das höchste Gut. Deshalb wird er nie Lügen!  oder auch: Aus A folgt B, aus B folgt C, daher folgt A aus C.)

2. Das ordnungsgemäße Begründen wird uns in die Unendlichkeit führen, woraus der  infinite Regress, oder auch das Argumentieren ad infinitum entsteht. (Oder auch: die Öffnung der Begründungsbüchse der Pandora.) Ich ziehe immer mehr Hypothesen heran, um meine Hypothese zu begründen und höre damit nicht auf und gelange zu Argumenten die jenseits des Bereiches des „common sense“ liegen  und (noch?) nicht bewiesen werden können.  Das bedeutet wir werden (noch?) nicht rausfinden ob unser UR-Argument wahr ist, was unsere gesamte Argumentation im Prinzip zunichte macht. (Zum Beispiel: Frage: Woraus besteht der Mensch? Antwort: Der Mensch ist ein Lebewesen, das aus Molekülen zusammengesetzt ist. Moleküle sind verkettete, komplexe Atomstrukturen. Atome bestehen aus Elementarteilchen. Einige Elementarteilchen bestehen aus Quarks. Was sind Quarks? Sind es Energiestrukturen? Haben sie noch eine räumliche Ausdehnung? Woraus bestehen sie? Wenn sie aus Energie bestehen, was ist Energie? (…)

3. Das Argumentationsverfahren darf nicht willkürlich abgebrochen werden. Diese „goldene Regel“ des Argumentierens wird am häufigsten gebrochen, da viele scheinbar legitime Gründe dafür sprechen: Ich beende meine Begründung einfach mit einem „Totschlagargument“, weil ich es eben weiß. ( Das Beispiel aus (2) herangezogen: Der Mensch ist ein Lebewesen, das aus Molekülen besteht. Moleküle sind verkettete Atomstrukturen. Atome bestehen bestehen aus Elementarteilchen. Elementarteilchen können wie ihr Name bereits sagt, nicht in noch weiter geteilt werden. Daraus schließe ich, der Mensch besteht aus Elementarteilchen, ohne geklärt zu haben, was das ist. (Viele greifen dann gerne zu ihren subjektiven „Jokern“ : Die Letztbegründung vieler ist hier GOTT, oder auch gerne „Ja ist halt so, war eben Zufall“ oder Schuld an unserer Existenz ist so ein riesengroßer Knall gewesen, der halt alles irgendwie so erschaffen hat. Wer hat Recht? Jeder wird für seine These passende Argumente finden.)

Hier wird in der gelehrten Philosophie auch vom Münchhausen-Trilemma gesprochen. „Egal was du tust, du hast ein Logikproblem“ (Der Name Münchhausen-Trilemma ist eine spielerische Anlehnung an den legendären Baron Hieronymus Carl Friedrich Freiherr von Münchhausen, einem Adeligen, der sich einen zweifelhaften Ruf mit Lügengeschichten gemacht hat, die vielseitig in der Literatur aufgegriffen worden sind. Unter Anderem soll er sich an seinen eigenen Haaren aus einem Sumpf herausgezogen haben. So viel dazu..). Wir haben jetzt jedoch ein Grundproblem der Philosophie herausgearbeitet, nämlich das der Begründung. Und um nochmal das im oberen Teil angeschnittene Themenfeld des „Rationalismus“ und des „Empirismus“ aufzuwärmen, so sollte man sich meiner Meinung nach hüten, sich vorschnell in einer Weltanschauung festzulegen. In meiner Einleitung habe ich den Rationalisten zwar etwas bloß gestellt, frei nach dem Motto „Ha, was für ein komischer Vogel, der nicht einsehen will, dass Feuer heiß ist..! Herr Doktor, holen Sie doch mal diese kuschelige weiße Jacke, deren Ärmel zusammen genäht sind!“. Aber dennoch wurden in der Vergangenheit grobe Fehlschlüsse anhand vermeintlich bewiesener Tatsachen gemacht. Als zum Beispiel die Frage aufkam, ob die Erde oder die Sonne im Mittelpunkt unseres Planetensystems sei, wurde ganz selbstverständlich und physikalisch Argumentiert: Wenn es die Erde ist, die sich bewegt, und nicht die Sonne, warum fällt ein direkt in den Himmel geschossener Pfeil nicht streckenversetzt hinab zur Erde? Diese müsste sich ja zu dem Zeitpunkt weiter bewegt haben! Wenn ich nämlich einen Pfeil von einem fahrenden Wagen gen Himmel abschieße, dann fällt der mir schließlich auch nicht direkt auf die Füße! Dies ist zunächst ein logischer Schluss, aber mit unserem Wissen heute können wir einschätzen, dass sich eben der Pfeil mitbewegt und aufgrund seines Schwungs zurück zum nahezu gleichen Ausgangspunkt kommt. Daher spreche ich ein Lob für denjenigen aus, der sich von der scheinbaren Offensichtlichkeit der Sachlage nicht hat bremsen lassen, und weiter geforscht hat. Nur so gibt es wirklichen Fortschritt. Durch die Skepsis. Aber wo fängt man an und wo hört man auf? Das ist jedem selbst überlassen und genau hier liegt die Verantwortung des Philosophen. Er muss die Wahrheit mit seinen gegebenen Werkzeugen ausloten, überprüfen und auf ihre Standfestigkeit austesten. Jemand der den Job hierbei ernst nimmt, geht einen schweren Weg. Das zu hinterfragen, was die Meisten für gesichert halten, macht einen schnell zum Außenseiter. Ferner gerät man häufig in die Lage, dass einem der Boden unter den Füßen weg zu brechen scheint, wenn man mit den Werkzeugen der rigiden Skepsis arbeitet. Und ja, man wird wohl mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch eine Menge Fehlschlüsse ziehen, auf dem Weg zu denjenigen Schlüssen, die stimmen. An so einem Punkt erscheint der resigniert wirkende, polemische Ausruf  „Ich weiß, dass ich nichts weiß!“ wie eine nüchternde, erste Erkenntnis. Aber kann sie das sein? Es handelt sich um ein Oxymoron und muss damit als nicht konsistent und damit als falsch gelten. Na vielen Dank auch!

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