Von „Ätherschwingungen“ oder: „Über das Sehen des Menschen“

Dies ist der zweite Artikel meiner Reihe über die Wahrnehmung des Menschen.

Worum geht es also? Dieser Artikel bezieht sich, wie bereits im Titel angekündigt, auf die visuelle Wahrnehmung des Menschen. Er bezieht sich auf den Essay „Über das Sehen des Menschen“ von Herrmann von Helmholtz, einem Berliner, der sein Leben und Wirken der Naturwissenschaft, der Medizin und der Philosophie verschrieb.

Im Grunde stellt Helmholtz in diesem Essay die Frage, welche Kräfte unser Wahrnehmen auslösen und welcher Natur sie sind. Zu Beginn betrachtet er das menschliche Auge als biologisches Pendant der Camera Obscura.  Alle, die den Begriff  „Camera Obscura“ hier zum ersten Mal lesen, seien auf die Wikipedia unter http://de.wikipedia.org/wiki/Camera_obscura verwiesen (Stand 21.10.2014). Im Endeffekt sind beide Apparaturen einander sehr ähnlich. Abgesehen davon, dass das Auge nicht aus Glas hergestellt ist und die rückseitige Leinwand aus lichtempfindlichen Nervenenden besteht. Wenn nun Licht in das Auge fällt, werden jene Nerven stimuliert und geben das Signal über die Nervenbahnen an unser Gehirn weiter. Dieses verarbeitet die Informationen und setzt die Bilder zusammen. An dieser Stelle stellt Helmholtz die Frage, wie nun die Erregung der Sehnerven durch das Licht erfahren werden kann. Warum erregt das Licht gerade die Sehnerven und nicht zum Beispiel eine Hautzelle? Natürlich können wir im Infrarotspektrum das Licht als Wärme wahrnehmen, aber mehr auch nicht. Der Evolutionsbiologe würde jetzt vorschlagen, die Sachlage unter entwicklungsgeschichtlichen Prämissen zu Betrachten: Selbstverständlich kann nur das Auge sehen, denn wenn alle Zellen alle Fähigkeiten besäßen, wäre die Energiebilanz eine negative, ganz abgesehen von dem Chaos dem der Körper Herr werden müsste. Von daher scheint eine Zellspezialisierung klug und nötig. Doch Helmholtz gibt sich nicht zufrieden: Denn wenn man das Auge schlägt oder drückt, oder elektrische Ströme hineinleitet  (ja, solche Experimente wurden tatsächlich durchgeführt…), dann entstehen ebenfalls Lichterscheinungen. Oder es treten, manch einer mag es von seinem Floating-Tank-Händler schon gehört haben, ebenfalls Lichterscheinungen auf, wenn man sich unter völligem Lichtabschluss befindet. Helmholtz weiß von „wunderlich krause[n], gesternte[n] oder streifige[n], verschiedenfarbige[n] Figuren, die fortdauernd wechseln und ein phantastisch regelloses Spiel ausführen“ zu berichten. Sie würden sogar „heller und schöner gefärbt, wenn man das Auge reibt oder wenn erregende Getränke oder Krankheiten das Blut zu Kopfe treiben“ jedoch „fehlten sie niemals ganz“. Die Frage, was dort die Sinneswahrnehmungen auszulösen vermag, scheint berechtigt, da ja kein Licht den Sehnerv erreichen kann. Die Biologie könnte darauf hinweisen, dass durch das physische Einwirken, durch das Reiben und Drücken, spezifische Nervenladungen gelöst werden, und somit die Neuronen zum Feuern gebracht werden. Doch haben sie auch eine Erklärung für das einwirkungsfreie Leuchten im Dunkeln?

Helmholtz greift nochmal auf das etwas barbarisch anmutende Experiment mit den Stromstößen am Körper auf. Denn wenn man elektrischen Strom ins Auge führt entstehen, wie oben bereits erwähnt, Lichterscheinungen. Diese können verschiedene Farben beinhalten und unterschiedlich stark ausgeprägt sein. Doch wenn man nun den gleichen Strom an andere Sinneszellen anlegt, entstehen ganz andere Effekte: auf der Haut entsteht ein Brennen und ein Stechen; auf der Zunge ein, je nach Art des Stromes, saurer oder laugenhafter Geschmack und er vermag Muskel und Glieder zum zucken zu bringen.

Man könnte daraus schließen, dass es einen universellen „Input“ gibt, der von den verschiedenen Zellen des Körpers unterschiedlich interpretiert wird. Helmholtz erwähnt diesbezüglich in seinem Essay die „Lehre der spezifischen Sinnesenergien“ von Johannes Müller. Demnach wird die Qualität unserer Wahrnehmung nicht von den äußeren Objekten bestimmt, sondern ganz allein von den Sinnesnerven, die jenen Eindruck empfangen und ans Gehirn weiter leiten. Oder um Helmholtz nochmals wörtlich zu zitieren: „Lieben sie paradoxe Ausdrücke, so können Sie sagen: Licht wird erst Licht, wenn es ein sehendes Auge trifft, ohne dieses ist es nur Ätherschwingung“.

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