Es ist nicht lange her, da kritisierte ein guter Freund von mir meinen Gebrauch von Bio Agavensaft der als Zuckerersatz dient. Er wies mich darauf hin, dass Agavensaft, obgleich er zwar weniger die bekanntlich schädliche Saccharose enthält, dafür aber raffinierte Fructose und diese sei nicht weniger ungesund als der übliche Haushaltzucker. Im Rahmen dieser Aufklärung lies er dann folgenden Satz fallen:
„Leider schalten die Leute beim Kauf von Bioprodukten viel zu häufig den Kopf aus und vertrauen dem Etikett.“
Diese Aussage führt mich auf den philosophischen Gehalt dieses Artikels. Denn ich war zunächst im Affekt verärgert – ich habe derzeit als Student nicht viel Geld zur Verfügung, versuche aber dennoch einen Beitrag zum Schutz und Erhalt unserer Lebensgrundlage, der Erde, etwas beizutragen. Ebenso natürlich auch meiner Gesundheit. Daher fand ich diesen Rundumschlag in jenem Moment provozierend, denn wie viele Leute rennen gedankenlos in den Supermarkt und kaufen ein , hauptsache billig. Und billig sind nun mal industrielle Massenwaren.
Natürlich sprang die Vernunft nach diesem kurzen Ausbruch von Unmut wieder an und ich sah ein: Wir kritisieren ja im Prinzip genau das selbe! Nämlich die geistlose Interaktion mit unserer Umwelt. Die einen mögen blind auf irgendwelche Siegel vertrauen, den anderen ist es egal unter welchen Bedingungen ein Produkt gefertigt wird, aber ignorant sind beide Sorten Menschen auf ihre Weise.
Aber was bedeutet Bio denn nun wirklich? Also wollen wir einen Blick auf die Sachlage werfen:
Was Obst und Gemüse angeht, so scheinen hier innerhalb von Deutschland die Regelungen verhältnismäßig gut zu greifen und laut BUND und Stifung Warentest gibt es wenig Pestizidrückstände auf unserem Biogemüse.
Soweit die guten Nachrichten. Bei den Netzfrauen stößt man auf diesen Artikel:
Es stellt sich heraus, dass selbst Produkte, die nach Biostandarts hergestellt werden, Verunreinigungen wie etwa gentechnisch verändertes Pflanzenmaterial oder Schwermetalle enthalten. Dies ist nicht zuletzt auf Umwelteinflüsse zurückzuführen: Selbst wenn ein Landwirt sich dazu entscheidet, auf künstliche Pestizide zu verzichten oder gentechnikfrei anzubauen, hat er solche Verschmutzungen dennoch in seinen Produkten, denn sobald ein Nachbarlandwirt dies nicht tut, werden Wind und Wasser für einen unvermeidlichen Austausch sorgen und unerwünschte Materialien auch auf „saubere“ Felder tragen.
Dennoch wird empfohlen Bioprodukte zu kaufen, da man so die saubereren Anbaumethoden unterstützt.
Bis hier her kann das Prädikat BIO noch ganz gut abschneiden, aber wie sieht es mit den stärker verarbeiteten Produkten und vor allem dem Fleisch aus?
Deshalb wollen wir an dieser Stelle mal die eigene Vernunft benutzen denn – mal die Hand aufs Herz – unter welchen Bedingungen werden Produkte wohl hergestellt, die zu discount-Preisen verkauft werden, völlig unabhängig welches Siegel oder Prädikat auf ihnen steht? Ich frage mich zum Beispiel jedes Mal wenn ich Lust auf Frühstückseier bekomme, wie die Hühner wohl leben, die diese legen. Im Discounter bei mir um die Ecke bekomme ich 10 Bioeier für einen Euro und vierzig Cent. Das bedeutet, dass ein Bio-Ei mit nur 14 Cent nicht unbedingt teuer ist. Nach einer kurzen Recherche im Internet stellt sich heraus, dass „normale“, d.H nicht speziell auf Eierlegen gezüchtete Hühner 120 Eier im Jahr legen – deren, auf Eierlegen gezüchtete Schwestern die in der Industrie zum Einsatz kommen, bringen es immerhin auf ~ 330 pro Jahr.
Also können wir wohlwollend sagen, dass ein Industriehuhn ca 6 Eier an 7 Tagen legt. Das bedeutet, dass ein Landwirt an einem Biohuhn ungefähr 12 Cent an einem Tag verdient. Stimmts?
Nein, es stimmt nicht, denn wir haben die Rechnung ohne die Menschen gemacht, die mit an den Eiern verdienen: zunächst wären da die Supermarktketten die einen Teil vom (Eier)kuchen abhaben wollen, dann gibt es da noch die Großhändler und Spediteure. Selbst wenn wir (utopischer Weise) den Betrag dritteln kommen wir nur auf vier Cent die da an den Landwirt gehen. Erfahrungsgemäß werden Landwirte aber von der Vertriebswirtschaft ( Supermärkte, Speditionen, Großhänder..) übervorteilt, sodass im Endeffekt nicht mal 4 Cent über bleiben.
Auch wissen wir, dass Landwirte ebenfalls Rechnungen zu bezahlen haben. Sie fahren häufig Traktoren, müssen Instandsetzungsreperaturen vornehmen und nehmen häufig aufgrund der anfallenden Arbeit noch bezahlte Hilfsarbeiter in Anspruch. Das kostet alles Geld.
Wie viel Geld bleibt denn da noch für das Huhn über, dass letztendlich die Eier legt? Dafür braucht man nicht mal alle Finger einer einzigen Hand um sich das auszurechnen.
Daher wird die Überraschung nicht groß sein, wenn ich jetzt die Tatsache eröffne, dass die Idylle die in Markennamen wie „Gutes Land“ „BioBio“, „GutBio“ , „NaturGut“ oder „BioTrend“ mitschwingt reine Illusion ist. Dies sollte heutzutage nichts neues mehr sein, aber dennoch wollte ich mal darauf hinweisen, dass die Tiere eben nicht wie auf den vielen schicken Produkten auf saftigen grünen Wiesen ein friedliches Leben unter strahlendem Sonnenschein führen, sondern in tristen Betonhallen zusammengepfercht unter Kunstlicht ein elendiges Dasein fristen und auf Leistung gezüchtet und gemästet werden.
Man muss natürlich anmerken: Hühner die Eier unter „Freilandbedigungen“ legen, haben per Gesetz tatsächlich eine Fläche unter freiem Himmel. Diese gestaltet sich jedoch nicht unbedingt nach dem versprochenen Naturidyll. Häufig sind es einfache „Betonwannen“ ohne Dach.
Vor allem aber muss man die tierpsychologischen Aspekte beachten, unter welchen Bedingungen traut sich ein Huhn überhaupt nach draußen? Es wird immer wieder von „Alibi-Freiläufen“ gesprochen, und zwar bei Ställen die den Tieren eine eine Möglichkeit anbieten, Freilauf zu bekommen, diese aber aus verschiedenen Gründen nicht wahrgenommen wird / werden kann.
Wer die Eier, bzw. die Nerven dazu hat, kann mal einen Blick auf diesen Link werfen.
Natürlich muss man fairerweise sagen, dass es überall schwarze Schafe gibt. Für den einen Landwirt ist ein Tier nichts weiter als ein Produkt oder eine Investition. Der Andere sieht in den Tieren was sie sind: Lebewesen mit einer emotionalen Wahrnehmung und Bedürfnissen. Es gibt sicherlich noch Menschen die ihre Nächstenliebe nicht auf Mitglieder ihrer eigenen Spezies beschränken sondern diese Versuchen auch an schutzbedürftigere Mitlebewesen weiter zu reichen.
Potentiell kann man hier nach dem Preis gehen: je teurer das Produkt, desto höher die Wahrscheinlichkeit dass das Geld dem Tier zu gute kommt. Wenn man dann noch die Gelegenheit hat, regional einzukaufen kann man gleich mal einen Blick auf die Produktion werfen und das Restrisko von Abzockern minimieren.
Ich muss zugeben, das Ganze überfordert mich ziemlich. Neben meinen alltäglichen Aufgaben auch noch solch eine Wissenschaft aus dem Einkaufen zu machen ist tatsächlich eine Zumutung. Nicht zuletzt auch für den Geldbeutel, aber es scheint dass wir als Menschen und vor allem in unserer Rolle als Verbraucher in einer großen Verantwortung stehen, der wir so gut wir können nachkommen sollten.
Vor allen Menschen, die stolz sind Vegetarier zu sein, sei gesagt: Selbst wenn ihr statt Hühnern nur Eier esst, ihr tragt durch euer Konsumverhalten dazu bei, dass jährlich abermillionen von Küken bei lebendigem Leibe geschreddert werden und das aus einem einfachen Grund: sie haben einen Penis und sind nicht in der Lage Eier zu legen.
Auch wenn ihr nur Milch kauft, tragt ihr dazu bei, dass Millionen von Kühen zwangsgeschwängert werden ( ja, eine Kuh muss vorher schwanger gewesen sein, damit sie Milch gibt..) Anschließend werden ihnen die Kälber weggenommen und synthetisch ernährt, denn man möchte ja die Milch für sich selber nutzen. Was mit den „anfallenden Kälbern“ dann passiert können sich ja alle denken. Kalbsleberwurst fällt nicht einfach vom Himmel.
Der Punkt auf den ich hinaus will ist: Die einzigen Lösungen ist die Nutzung von Produkten die tatsächlich unter wirklich biologischen und natürlichen Bedinungen erzeugt werden und daher meist sehr teure „Luxusprodukte“ sind ( das ist als Bewohner einer Großstadt schon fast unmöglich..) Und wer kann sich das schon leisten?
Da bleibt nur eins: Veganismus. Der komplette Verzicht auf tierische Produkte.
Aber versteht mich nicht falsch. Ich bin nicht der Prediger, oder der, der mit dem Finger verurteilend auf andere zeigt und sie anprangert. Ich bin selber kein Veganer. Nicht einmal Vegetarier. Ich sehe mich selbst als Minimalkarnivoren, denn ich versuche wo ich kann auf Fleisch zu verzichten, habe aber anscheinend irgendetwas, das ich in Ermangelung an einer Bezeichnung einfach mal als „urmenschliches“ bezeichnen möchte. Es ist die Tatsache, dass nach harter Arbeit ein Haufen angerösteter Proteine und Fette in Form eines Steaks eine Befriedigung verschaffen, wie es eben nur ein Steak kann. Auch liebe ich Käse und Rührei, Zutaten die ich bei einem deftigem Frühstück nicht vermissen möchte.
Ich denke dennoch, dass die Zukunft der Menschheit fleischfrei sein wird. Zumindest was Fleisch angeht, das auf herkömmlichen Wege erzeugt wird.
Es ist eine Sache ein Lebewesen in freier Natur mithilfe seines Geschickes und etwas Jagtglück zu erlegen, es quasi aus seinem freien Lebensraum heraus zu fangen, in dem es vorher glücklich und gesund gelebt hat.
Eine ganz andere ist es jedoch, ein Tier mit tausenden anderen zusammen auf engstem Raum zusammen zu pferchen, in dem es nicht seinen natürlichen Instinkten folgen kann und überhaupt nur mit dem Einsatz von modernen Medikamenten und Futtermitteln diese Tortur bis zur Schlachtung überlebt.
Eins bleibt jedoch gleich, wie man es dreht und wendet: Töten bringt Leid. Es ist zwar erstaunlich wie die Natur es an vielen Stellen vormacht; wie der Löwe in der Savanne seine Beute reißt und diese sich ihrem Schicksal, wenn es denn zuschlägt, auch ergibt, aber der Mensch hat die Möglichkeit einen Schritt weiter zu gehen. Er bildet sich doch soviel auf seine Vernunft und seine Fähigkeit ein, die Welt zu verändern. Ein Löwe besitzt nicht unbedingt die Fähigkeit, Wege zu finden Proteine zu einem Steak zu züchten, wie es derzeit unsere Wissenschaft versucht. Der Mensch allerdings schon. Dann soll er doch bitte, wenn er sich schon einbildet „Die Krone der Schöpfung“ zu sein, dies auch zum Wohle der gesamten Schöpfung sein.
Und bis es soweit ist, halte ich es für mich folgendermaßen: Ich ernähre mich weiterhin hauptsächlich von Obst und Gemüse, von Reis, Kartoffeln und dergleichen. Denn wenn man sich Zeit zum Kochen nimmt und ein wenig Neugierde und Bereitschaft neues auszuprobieren mitbringt, ist kochen keine lästige Routine sondern eine tägliche Möglichkeit neue Wege zu finden sich um sein leibliches Wohl zu kümmern. Wenn man die Augen öffnet sieht man, wie viele spannende Obst und Gemüsesorten unsere Welt hervorgebracht hat, ganz zu schweigen von den vielen Kräutern und Gewürzen. Da ist nur ein bisschen Kreativität gefragt, um hervorragend (vegan) zu kochen.
Ein bisschen Demut und Dankbarkeit schadet auch nicht, denn wenn man sein Essen vor dem Verspeisen würdigt, schmeckt es besser und die Befriedigung ist größer. Das gilt natürlich vor allem dann, wenn man doch mal zu einem Steak greift…
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Hey Lukas,
es ist halb drei morgens und ich bin grad auf deiner Seite hängen geblieben.
Hab ein paar Artikel gelesen und kann nur sagen:
Gefällt mir sehr gut!
Toll geschrieben, schöne Gedanken eingebracht – top 🙂
Weiter so