Von Zwangsgewalt und Bestrafung

„Abgeschlossene Verträge sind zu halten!“ (1)*

Mit diesem Diktat legt Thomas Hobbes, englischer Mathematiker und Philosoph den Grundstein für seine Staatstheorie, die unter anderem geistige Mutter des Absolutismus werden sollte.

Hobbes, der von 1588 bis 1679 lebte, argumentierte wie folgt:

In dem oben genannten Gesetz lägen

„Quelle und Ursprung der Gerechtigkeit“, (denn:)
„Wo kein Vertrag vorausging, wurde auch kein Recht übertragen und jedermann hat ein Recht auf alles, folglich kann keine Handlung ungerecht sein.“ (2)

Hobbes geht also davon aus, dass Unrecht und Chaos herrschten wenn es keine legislativen Einigungen zwischen den Menschen gäbe. Es herrschte eine gewaltsame Anarchie und Verbrechen aneinander würden nicht zu Rechtschaffenheit gezogen werden können, da es mit der Abwesenheit von Recht eben auch kein Unrecht gäbe.
Erst mit dem Eingehen eines Vertrages, in dem man anerkennt, dass Verträge zu halten sind kann man jenem „Kriegszustand“ beenden, in dem Hobbes als die Menschheit als ihren natürlichen Zustand sieht.

Durch die Einführung einer Definition von Recht kann auch das Gegenteil, das Unrecht, als solches identifiziert werden, womit Regeln für ein gesellschaftliches Miteinander geschaffen werden.

Hobbes schien wenig gute Erfahrung mit seinen Mitmenschen gemacht zu haben, denn er geht davon aus, dass „auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Verträge ungültig“(3) sind wenn „eine der beiden Parteien die Nichterfüllung befürchtet“(4)
Er geht also davon aus, dass wenn es keine Kontrollinstanz gibt, die Menschen einander respektlos auf dem Kopf herum tanzen.

Daher muss man, wenn man von Recht und Unrecht sprechen möchte, eine „Zwangsgewalt (schaffen) um die Menschen gleichermaßen durch die Angst vor einer Bestrafung zur Erfüllung ihrer Verträge zwingen, die gewichtiger ist, als der Vorteil, den sie sich von dem Bruch ihres Vertrages erhoffen“(5)

Damit spricht er von einem Vertrag eines >jeden mit jeden< – eines Gesellschaftsvertrages.
Mit seinem Abschluss tritt der freie Mensch wesentliche Rechte ab – zum Beispiel sich am Eigentum seines Nachbarn ganz nach belieben zu vergreifen – erwirbt jedoch auch Rechte. Nämlich selber den Schutz genießen zu können, dass der eigene Nachbar sich wiederum nicht am eigenen Garten vergreift.

Ist die Weltanschauung die Hobbes im sechszehnten Jahrhundert an den Tag legte, noch heute gültig? Muss ein Moralbegriff derart negativ sein, damit ein vernüftiges Zusammenleben ermöglicht wird?

Handelt ein Mensch nur rechtschaffend wenn er durch Furcht und Androhung von Strafe dazu genötigt wird? Hobbes hatte allerlei Grund zu solcher Annahme, denn Zeit seines Lebens tobte der dreissig Jahre währende Krieg in Europa, indem sich die Menschheit (mal wieder mehr) von ihrer besten Seite zeigte, indem sie ganze Landstriche erfolgreich entvölkerte während man plündernd, mordend und vergewaltigend umher zog. Selbst das Dorf, aus dem einmal der Stadtteil Berlins in werden sollte in dem ich lebe, verzeichnet während dieser schlimmen Jahre eine dramatische Veränderung. Nur eine von zehn Familien sollte dieses monströse Schlachten überleben.

Seine Schrift zu dem Thema, erschien drei Jahre nach Beendigung des großen Krieges und ist damit gerechtfertigt.

Doch hat uns die Geschichte gezeigt, dass die von ihm geforderte Maßnahme ein „Staatsmonster“ zu schaffen (einen biblischen Leviathan gleich, dessen Namen sein Werk auch trägt), dass den menschen in seinem Handeln züchtigt, ebenfalls nach hinten los geht:

Die Schaffung einer absoluten Instanz, eines mit aller Macht ausgestatteten Herrschers, wird einzelnen Individuen erlauben, ihre persönliche Perversion auf dem Rücken einer breite Masse von Menschen ins extreme zu Verleben.

Nicht umsonst haben sich die Menschen zur Zeit der französischen Revolution von 1789 zurück geholt was ihnen gehörte und dabei nur all zu großzügig Gebrauch von der Guillotine gemacht.

( Aber das nicht nur aus politischen Gründen. Man riss sich um die besten Sitzplätze, die öffentlichen Hinrichtungsplätze waren quasi „the Place to be“ und so eine schöne Hinrichtung ein echtes „Happening“ Glücklicherweise gibt es heute die elektronische Unterhaltungsindustrie die diese Sensationsgier auf friedlichere Weise stillen kann.. )

Die Ausführungen untermalen ganz deutlich Hobbes Menschenbild. Stand es schon immer so finster um die Menschheit? Haben wir nicht das Werkzeug uns von solch niederem Verhalten zu differenzieren? Die Antwort muss wohl jeder für sich selber finden.

Rousseau hätte Hobbes an vielen Stellen wohl direkt widersprochen, hätten sie sich nicht um dreissig Jahre verpasst. In seiner Philosophie ist das Erschaffen einer Kultur wie Hobbes es sich vorstellt, überhaupt erst der Auslöser für derart fehlgeleitetes Verhalten. Doch das an dieser Stelle nur als Cliffhanger, für den nächsten Artikel.

Wir werden uns also weiter mit dem Thema beschäftigen, ob der Naturzustand des Menschen ein schlechter ist und ob erst die Etablierung eines Rechtsbegriffes das friedliche Zusammenleben von Menschen ermöglicht. Hobbes Position haben wir jetzt kennengelernt: Menschen sind nur zu zähmen, wenn sie mit Furcht und Angst zur Disziplin getrieben werden.

Es bleibt also Spannend! Bis zum nächsten Mal auf der Aurora Philosophia!

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* Entnommen aus: Thomas Hobbes (Autor), C. Horn, N. Scarano ( Herausgeber): Philosophie der Gerechtigkeit, Suhrkamp taschenbuch wissenschaft, Frankfurt am Main, 2002

(1) S. 169,  Zeile 7-8
(2) S. 169, Zeile 11-12
(3) S. 169, Zeile 17
(4) S. 169, Zeile 19
(5) S. 169, Zeile 24 ff.

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